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Kanjiman "Nepomuk"

Unser Mann in Nippon - Ein Reisebericht


Von Juli bis Oktober 1999 weilte unser "Kanjiman Nepomuk" in Japan. Er studierte Japanologie und besuchte in diesem Rahmen einen Sprachkurs am Goethe-Institut in Tokyo. Einmal hier, verband er seinen Besuch gleich noch mit einem Road-Trip per Pedes quer über die Insel . Die folgenden Berichte schrieb er für das alte NINPO RALPH PORTAL.
Ferner besuchte er ein BUJINKAN-Training im Budokan und nutze die Gelegenheit, sich auch andere Kampfkünste anzusehen. Aber lies selbst ...

Viele Grüße aus Shaisuhaisu-Nippon

Nachricht vom 27.07.1999 (Tokyo)

...hier trieft der Schweiß nur so, draußen ist's kaum auszuhalten, und in den klimatisierten Gebäuden erkältet man sich. Nichtsdestotrotz hab ich mich nach anfänglichem Kulturschock, hervorgerufen durch riesige, verwinkelte, verworrene und trotzdem lebendige Architektur und abermillionen Leute, ganz gut in Tokyo eingelebt.

Meine Willkommensparty wurde in einem traditionellen japanischen Restaurant gefeiert.

Sushi essen
Foto: pixabay.com

Das U- und S-Bahn Netz ist wirklich gut ausgebaut, man findet sich schnell zurecht. Hab schon 'ne ganze Reihe an Sights geseet. Dem hiesigen Konsumrausch bin ich ebenfalls auch schon verfallen.

Im Moment sitz ich grad im Goethe-Institut in Tokyo, das Cybercafe ist hier kostenlos, subarashii desu ne.

Zum Training bin ich noch nicht gekommen, mal sehn.

deha mata
nepomuk.

Bahnnetz in Tokyo
Foto: pixabay.com

Wie geht's weiter?

Nachricht vom 04.08.1999

In mehrerlei Hinsicht sei diese Frage von Interesse. Nach dem ersten kleinen Erdbeben fühlte ich mich gar nicht mehr so sicher. Deshalb besuchte ich mit meinen japanischen Freunden vor einigen Tagen ein Aikido-Dojo. Die Meisterin soll sehr fähig sein. Leider gehört sie wohl einer merkwürdigen Friedenssekte an, über die ich mich auch noch weiter informieren muss. Sie war freundlich ablehnend, obwohl wir von einer Freundin von ihr vermittelt worden. Zumindest sind wir dann noch mit dieser Freundin (Imbissladenbesitzerin und Budofrau) und ihrer schönen Tochter lecker essen gegangen.

Wenn man hiesige Japaner (auch diverse Budoka) auf Ninjutsu anspricht, finden die das immer ganz lustig, und versichern mir, dass es wahrscheinlich Fake-mono ist, um den Budosüchtigen Gaijin das Geld aus der Tasche zu ziehen. Werde wohl weiter nach der Wahrheit suchen müssen.

Ich hoffe ich finde bald heraus, wohin mich das Schicksal zieht, aber irgendetwas merkwürdiges ist schon im Gange.

Ich muss jetzt erstmal schnell zum Japanisch-Unterricht.

 

Bis demnächst,
nepomuk.

Wie man den Fuji-san überlebt

Nachricht vom 10.08.1999

Blick zum Fuji-san

Am letzten "Uiikuendo" (von engl.: weekend), wie die Japaner sagen, entschied ich mich nach längeren Überlegungen ganz spontan zur Heldentat meines Lebens: den berüchtigten Mt. Fuji zu besteigen.
"Ein waghalsiges Unterfangen", werden Einige sagen. Dennoch, der Fuji ist ein Muss.

Phase 1 - Vorbereitung:
Bustickets von Shinjuku (Tokyo) zur sogenannten 5.Station gekauft. Reis und Sake eingekauft, und noch 'nen Liter Milch und ein Bier getrunken.

Phase 2 - Aufstieg:
So gegen 22.30 Uhr im Nieselregen losgetigert. Die Grünzeuggrenze war schnell überwunden. Die eigentlich notwendigen Taschenlampen brauchten wir nicht, denn es gab genug supergut ausgerüstete Japaner (supergut meint auch wirklich supergut). Fühlte mich schon ein wenig veralbert mit meinen Sport-Sandalen.
Nach einigen weiteren Stationen hatten wir dann auch die Wolken passiert: Über uns nur noch Sterne und rücksichtslose Japaner, die einem regelmäßig mit ihren Kopflampen Löcher in die Netzhaut brennen.

Unsere Motivation stieg oder fiel mit jedem Meter. Ich wunderte mich woher die vielen Bagger kamen, die am Wegesrand standen. (denk immernoch drüber nach).
Eigenartiger Humor da oben: es gab die 8. Station z.B. gleich 5mal auf unserem Weg. Die Kilometerangaben stammten wahrscheinlich auch noch aus Zeiten mittelalterlicher Seefahrt, man kann hier in Japan wahrscheinlich noch viel Geld mit Topographie- und Orientierungskursen machen.

Kurz vorm Gipfel konnten wir einem sagenhaften Naturschauspiel beiwohnen: dem berühmten Nationaljapanischen Sonnenaufgang, der Grund, warum hier täglich zehntausend Japaner hochstürmen. Noch ein paar Meter weiter standen wir erstmal für einige Minuten im Stau.

Luftbild Fuji-san
Foto: pixabay.com

Phase 3 - Auf dem Gipfel:

  1. teuer
  2. nicht besonders sehenswert, außer man schaut nach unten
  3. das Postamt war auf der anderen Seite des Kraters, und ich hatte wirklich keine Lust darüber zu laufen
  4. Überall Müll und Glasscherben, ?..
  5. Reis geknabbert, Wein getrunken, Nickerchen, Touristen ausgelacht, die noch weit bis oben haben
  6. Stein in Krater geworfen (Auf unserm Rückweg trafen wir einen ARD-Kameramann, der einen deutschen Pilger begleitete, der einen Stein in den Fuji werfen will == das Resultat ist wohl so im nächsten Monat zu sehen, wär schön wenn mir das jemand videoen kann, Dank)

 

Phase 4 - Abstieg:
Geröllsandige Serpentinen, hab ständig Steine zwischen Haut und Sohle. Versuch Knie, nicht zu überlasten. Irgendwann wieder unten, Kondition war jetzt nicht mehr so meine Stärke, deshalb hab ich viele Fotos gemacht.

Phase 5 - Danach:
Nach vierstündiger Busfahrt am Sonntag abend in Tokyo erstmal ins Sento (jap. heißes Bad) gegangen und richtig gut entspannt. Hostmama bereitete dann noch ein leckeres Mahl. War zufrieden.

Mein Japanisch verbessert sich täglich, so ein Sprachkurs ist wirklich 'ne feine Sache.

bis bald
nepomuk@10.08.99.endlich.regen.in.tokyo.jp

NOMINICATION, verknüpft mit Dojo-Besuchen

Nachricht vom 17.08.1999

Seid gegrüßt, auch die letzte Woche steckte wieder voller Erfahrungen, vorrangig gesellschaftlich, kommunikativer Kultur: Wir nennen das hier NOMINICATION - ein Kunstwort, welches sich aus dem japanischen Wort für TRINKEN (nomi..) und COMMUNICATION zusammensetzt. Da der Sprachkurs nur 4 Wochen dauert, gibts da natürlich 'ne Menge zu tun, auch so komm' ich immer weniger zum Abendessen.

Nachdem wir am Mittwoch lecker Japanisch kochten (mit anschließendem Verzehr dessen + Bier), traf ich mich mit einem japanischen Karateka, um mir mal deren Training zu Gemüte zu führen. Das Dojo war die untere Turnhalle einer Mittelschule, und groß genug für vielleicht 40 Leute. Der Sensei (nana-dan), 5 weitere Schwarze und einige Grüne waren das anwesende Klientel. Es handelte sich um Okinawa Goju Ryu. War sehr interessant, obwohl mir Karate nicht so sehr liegt.

Donnerstag bekam ich endlich ein Fahrrad geliehen - ein tolles Gefährt, so daß die Zeit nach dem Sprachkurs gesichert ist, Reiseplanung wurde auch schon verfaßt.

Fahrradtour durch Asakusa
Foto: pixabay.com


Man versucht ja soviele Facetten wie möglich in einem so anderen Land kognitiv zu erfassen: Also sind wir (Japanologiekollege + ich selber) nach 'nem völlig tristen, verregneten Samstag dann am sonnigen Sonntag Morgen in die Gospel Church gegangen. Dort wurden wir freundlichst empfangen und erhielten sogar noch 'ne Art Übersetzung des Gottesdienstes. Eine nette Erfahrung, zumal unsere Übersetzerin entsprechend wirkte, und uns ihre Karte für den Fall daß... überreichte.
Danach ging's weiter zum Matsuri (jap. traditionelles Shinto-Volksfest); schön wie die Japaner so abfeiern können. Da das Wetter ganz gut war hat's auch uns viel Spaß bereitet. 10.000 Japaner trugen hunderte Schreine auf der abgesperrten Hauptstraße entlang, in Trance verfallen, ihrer Gottheit zu dienen, oder einfach nur der feiernden Gemeinschaft Trunkenheit aufzusaugen.

Gestern hab ich mal auf dem Weg beim Aikido Honbu Dojo vorbeigeschaut, leider war das Training schon vorbei, das Dojo hat aber 'nen ganz guten Eindruck gemacht.
Heut' Abend versuch' ich endlich mal im Tokyo Budokan beim Ninjutsu-Training vorbeizuschauen, bin schon gespannt, wie's dort so abläuft; ...abwarten!

Deha mata
nepomuk@wiedermal.im.goetheinstitut.tokyo.jp

Besuch im BUDOKAN

Nachricht vom 22.08.1999

Liebe Gemeinschaft,
Hab mir am letzten Dienstag (17.08.99) mal des Großmeisters Training angeschaut.

Am Bahnhof angekommen, fielen mir sofort zwei Gestalten auf, bei den ich mir sicher war, wohin sie unterwegs waren. Verbissener, ernster Gesichtsausdruck; sichere, aber anders aussehende Bewegungen; erinnerte mich sehr an einen der ...*zensiert*... Uffz beim Bund.

Meine Einschätzungsfähigkeit ließ mich nicht im Stich; schließlich im Budokan angekommen, ordnete man mir als Europäer an der Rezeption sofort das Wort Bujinkan zu. Nu gut, Schuhe aus und erst mal zugucken, zumal die anderthalb Stunden Training knappe DM 50 kosten... (Vgl. Karate/Aikido: ca DM 100 pro Monat).
Soke's Sprecher fragte mich ein wenig aus, und schließlich wurde dann grünes Licht zum zugucken gegeben.

Im Dojo befanden sich ca. 30 Personen (davon ca. 10 Japaner, der Rest Gaikokujin; insgesamt fast nur Kuroobi (Schwarzgurte)). Der Chef kam dann nicht ganz pünklich an, beteiligte sich noch kurz am Smalltalk, der überall im Saal vorherrschte, zog sich um und legte los. Nach einer kurzen Rede gings dann in bekannter Manier los.

Anfangs war ich von der lockeren Atmosphäre recht angetan, doch erkannte schnell, das hier irgendwas nicht funktioniert: ...Die Japaner hattens ja noch so einigermaßen drauf, aber was ich bei Einigen der mit Schwarz graduierten Schüler sehen mußte, erschreckte mich zutiefst.
Wo war der Respekt gegenüber Soke, wo waren sauber ausgeführte Techniken und sichtbar Herz dahinter, wo war die Strenge sich selbst gegenüber, gut zu trainieren (es ist ja immerhin nicht ganz billig). Zeitweise dachte ich, daß ich mich in irgendeiner Kindergruppe befinde. Tut mir leid, dies sagen zu müssen, aber ein bißchen enttäuscht war ich schon. Danach ließ ich mir noch die eine oder andere Dojo Adresse geben (ausgerechnet von den Japanern, die meiner Ansicht nach nicht ganz so fähig waren).
Hab das Ganze dann im benachbarten Freudenviertel bei einer Schüssel Ramen zu verdauen versucht.

Fazit: Das, was Soke geliefert hat war richtig klasse, nur die Ami- und Euro-Clowns haben's wohl einfach nicht geschnallt. Wie so oft schon gesagt wurde: ...Soke macht seins, wer ordentlich dran teilnehmen will, dem ist die Chance gegeben. Doch leider sind dort zu viele, die wohl ein Training beim Großmeister für ihre Referenzen als wichtig ansehen, anstatt sich auf sich selbst zu konzentrieren. Insofern fakes Soke uns blöde Gaijin schon ganz schön.

Heute früh am morgen entschloß ich mich, auch mal einem Sumotraining beizuwohnen. Irgendwo im Vorort, direkt neben dem Gleis, eingepackt in zweistöckige Fassade befand sích das Dojo. Das Training bestand aus Ringen im Ring. Dicke in Sackleinen gepackte Japaner, nassschwitzend, kiesbedeckte Haut, lautschniefend, mit zehntausend Gelenkverbänden, ...
Ich muß sagen, daß es am Anfang noch ganz interessant war, sich dann aber in meinen Augen zur Shinto-Show entwickelte. Einige Trainingsmethoden könnte man mit Viehzucht vergleichen, es war jedenfalls sehr streng.

So, das war jetzt wohl der Letterei letzter Streich:
Ab nächstem Wochenende befinde ich mich im Sattel meines Drahtesels und werde mir mal noch ein paar andere schöne Plätze in Japan anschauen. Tokyo ist zwar immer noch aufregend, aber mit der Zeit auch ein bißchen teuer.
Hab' mir jetzt erstmal 'nen guten Überblick über verschiedene Dinge hier verschafft, so daß ein weiterer Aufenthalt in Japan (z.B. zum Studieren) wohl gar nicht mehr so unwahrscheinlich ist.

Bis Später
nepomuk@eindruecke.en.masse.tokyo.jp

Unterwegs in den japanischen Alpen und Start meiner eigenen Radtour

Nachricht vom 07.09.1999

Liebe Freunde,
sitz' hier gerade im McDonald's des verregneten Takayama, trink 'ne leckere Frühstücksmilch und versuche nun noch ein paar Zeilen zu Papier zu bringen. Papier ist das Stichwort, denn hier auf dem Land muß ich wohl auf den konventionellen Postweg rück- / umsteigen.

In meiner letzten Tokyo-Woche hatte ich noch einmal die Gelegenheit, mir im Aikido-Hombu-Dojo einige Eindrücke zu erhaschen. Ich war wirklich überrascht, denn ich sah einen überfüllten Raum in dem effizient trainiert wurde.
Die Struktur des Trainings unterschied sich nicht sonderlich vom Bujinkan, auch waren der ein oder andere Gaijin anwesend. Und dennoch, etwas entscheidendes war vorhanden: Zum einen Disziplin und Respekt gegenüber dem Großmeister, und zum andern der sichtbare Wille, konzentriert und effektiv zu trainieren.

 

Warum ging das im Bujinkan nicht? Liegt das vielleicht an der Kleiderordnung, oder an der Coolness der Gaijin, ... , wer weis. Jedenfalls find ich unsere Trainings und Seminare in Europa im Vergleich zum hiesigen Gaijin-Fake ziemlich gut. Ich bin dennoch der Meinung, wir sollten uns alle mal besinnen, und uns nicht von Soke's provokativ lockerer Art beeinflussen lassen.
Amen...

Der Sprachkurs war zu Ende. Ich musste, wohl oder übel, meine so liebgewonnenen Klassenkameraden, Lehrer und auch Tokyo verlassen. Ein Fahrrad hatte ich mir ja schon geborgt. Doch bevor die Radtour starten sollte, entschloss sich ein japanischer Freund mich zu einer gemütlichen Wandertour in die "japanischen Alpen" mitzunehmen. Da sagt man nicht nein.
Die ersten beiden Nächte schliefen wir - sagen wir mal zur Entwöhnung - in Jugendherbergen. Doch das wurde mir dann doch zu fett (DM 50,- die Nacht), zumal ich meinen Schlafsack dabei hatte.
Die nächsten Nächte also draußen.

Bergtour
Foto: pixabay.com


Die Wanderung bestand aus mittelkurzen Tagestouren in verschieden Gebieten. Hinzu kamen unzählige Ramen- und Onsenbesuche (heiße Naturquellbäder). Das Wetter hielt sich einigermaßen zwischen Sonne, bewölkt und Nebel bei ca. 20-25 Grad. Höhenlage 2000 m plusminus 500 m.
Wir trafen unterwegs 'ne ganze Reihe interessante und merkwürdige Leute. Ein Glück, daß ich meinen Japaner dabei hatte, der sehr konversationsfreudig ist.
In Matsumoto konnten wir noch Einiges mehr erleben: Am Tag unserer Anreise fand am Abend die Generalprobe einer Open-Air-Oper unter Leitung des berühmten Dirigenten Seiji Ozawa statt. Wir verfolgten diese kostenfreie Veranstaltung bei Obento und japanischem Bier aus der ersten Reihe, bevor wir uns danach im äußeren Burggarten zur Nächtigung begaben.
Die darauffolgende Nacht, nachdem wir noch von zwei Australierinnen, deren Geldbörse ich fand, ins Pub eingeladen wurden, schliefen wir in einem piek-noblen Saunabad im sechsten Stock eines höheren Hauses mit Panorama-Blick. Der Spaß war sogar noch DM 5,- billiger als die Jugendherberge.
Wowow...

Seit drei Tagen bin ich jetzt solo auf dem Rücken meines Drahtesels unterwegs von Matsumoto über Takayama und Fukui Richtung Kansai-Area (Kyoto / Osaka / Nara / ...). Die Bergpässe sind allerdings ganz schön kräftezehrend. Dafür sind die Abfahrten umso berauschender. Zelt braucht man keins, denn ab und zu findet sich eine gelegene Überdachung für die Nacht.

So, jetzt wird's gleich um zehn. Muss jetzt los, damit ich bis vorm Dunkelwerden heut Abend (ab 18.00) noch'n paar Kilometer schrubben kann.

Deha mata
nepomuk 7.9.99

Grüße aus Kyoto

Nachricht vom 14.09.1999

Nach einer Woche Radtour (ca. 600 km) mit einem Platten und drei kaputten Speichen (gar nicht so einfach, qualifiziertes Reparierpersonal aufzutreiben) bin ich am Sonntag, den 12.09. in Kyoto angekommen. Auf dem Weg hatte ich noch die Gelegenheit, mir 'ne Shingon- oder Tendai-Zeremonie anzuschauen, bevor ich die Stadtgrenze überschritt.

Ich war erstaunt. Ich war immer noch -unschwer zu erkennen- in Japan, doch irgendetwas hier war völlig unterschiedlich vom Molloch Tokyo (und natürlich auch von den provinz. Kleinstädten): Kyoto ist eine richtige Stadt, die Straßen streng rechtwinklig, die Architektur kultiviert, die Sehenwürdigkeiten unzählig vorhanden. Doch das Wichtigste sind die Gemueter der Menschen, die Leute können hier lächeln, und grüssen einander auf der Straße.

Hab mich entschieden, den Rest meiner verbleibenden Zeit in Japan hier in Kyoto zu verbringen. Das Wetter ist super, die Nächte auch warm (brauch nicht mal Schlafsack zu schließen) und ein wunderschöner riesengroßer Park entlang des Kamo-Flusses sichern mir die Nächtigung.

Von Kyoto aus sind auch Osaka, Kobe, Nara, der Biwa-See, und natürlich Iga-Ueno nicht weit, ein ideales Hauptquartier für tausend Tagestouren also.

Nach meiner Ankunft hier traf ich fast zufällig meinen auch in Japan rumreisenden Japanologiemitschüler M@t in Begleitung von auch zufällig heut getroffenen Freunden, so dass wir dies am selben Abend noch mit Vodka begossen bevor wir es bis 5 Uhr früh mit Karaoke besangen. Welch ein Spass.
Am nächsten Tag war dann im Onsen Großreinemachen angesagt. Kyoto ist eine empfehlenswerte Stadt, die man wirklich permanent genießen kann. Mein Glückszustand hier wird wohl noch 'ne Weile anhalten.

Im Goethe-Institut gibts wieder kostenlos Email und Internet, eine Sache, die ich sehr zu schätzen weiß. Werd mich also nächste Woche nochmal melden können.

Bis dann
nepomuk@mein.kyoto.lob.ich.mir.14.09.99.jp

"Willkommen daheim"

Nachricht vom 11.10.1999

... hieß es schon letzte Woche für mich. Der Atomhavarie entfloh ich glücklicherweise schon zwei Stunden bevor sie sich zutrug. "Schön, mal wieder zu Haus zu sein", sprach ich noch so zu mir, als mich der Alltag plötzlich wieder in seinen festen, gefahrenen Bahnen lenkend hatte - ein Jammer.
Rückblickend geschaut, sehe ich eine schön verbrachte, jetzt verlassene Zeit. Ja, gerade die letzte Woche hinterließ einen andauernden, aber schon schwächer werdenden Eindruck, welchen es gilt möglichst nach vorn starrend treibend zu nutzen.

Kyoto fetzt ein! Tatsächlich hatten wir eine Menge Spaß in dieser Stadt, und abwechslungsreich war's zudem: z.B. waren wir beim Sightseeing sehr agil - von einem Weltkulturerbe zum nächsten. Man gewöhnt sich nur leider viel zu schnell an all jene historischen und kulturellen Gebilde, bis dass man vollends den rechten Blick dafür verliert und dass einem schon fast gewöhnlich erscheint, was vor zwei Monaten noch allergrößte Verwunderung auslöste.
Jedenfalls brachten mich die Eintrittspreise mit der Zeit immer mehr zum Erstaunen, oder sind knappe DM 10,00 für 'ne halbe Stunde ollen Tempel gerechtfertigt?..
Kyoto's Nachtleben ist leider auch nicht viel billiger, dafür aber wesentlich (ent-)spannender. Ein weiterer Vorteil gegenüber Tokyo ist hier die Stadtgroesse, man braucht sich keine Gedanken ueber eventuelle "last train's" zu machen. Wenn's denn etwas spaeter werden sollte, kann man auch bequem nach Hause laufen (max. 1½h).

Waehrend der Flaniererei durch Kyoto's Gassen fielen uns hin und wieder die kleinen Fahrrad-und Mopedlaeden auf. In einer der folgenden ueberbewussten Naechte entschieden wir uns, den Rueckweg nach Tokyo auf dem Motorroller zu verbringen. Dem alten Mikkyo-Prinzip: "Gedacht, gesagt, getan" getreu bemuehten wir unsere gesamten Sprachkenntnisse, um saemtliche Formalitaeten (Kauf, Nummerschilder, Steuer, Versicherung, Fahrerlaubnis) zu erledigen.
Enttaeuscht bin ich von der japanischen Post. Ein Expressbrief von Kyoto nach Tokyo braucht 1½ Tage; wir mussten uns uebers Wochenende gedulden, eh wir unsere 50cc Choppers besteigen durften. Der freundliche Ladenbesitzer lieh uns aber kostenlos ein Fahrrad, so dass wir, nachdem auch das Meinige wieder repariert war, noch schneller durch's Staedle rockten.

Unsere Tour nach Osaka soll unerwaehnt bleiben, das war naemlich nicht so berauschend, letztlich wurden wir puenklich 17.00 dort zur Schliesszeit aus der Burg rausgeschmissen, nachdem wir fuer 10 Mark ungefaehr 10 Minuten fuer das Museum hatten. Wir waren bedient, denn draussen zeigte sich Petrus mal wieder inkontinent: Scheisswetter.
Doch auch das konnte meine gute Laune kaum verderben, denn seit ich im Gaestehaus wohnte (halber JH-Preis), mir also das allnaechtliche Dach gesichert war, stellte das Wetter nur noch einen Luxusfaktor dar. Auf Luxus muss man halt manchmal verzichten (koennen).

Unser Versuch im Kaiten-Sushi die 30-Teller-Grenze zu ueberschreiten, um ein Highscore an die Restaurantwand geheftet zu bekommen schlug ordentlich fehl, stattdessen war's nur unnoetig teuer und vor allem schmerzend. Wir hatten uns die letzten Wochen einfach so ernaehrt, dass unsere Maegen einfach nicht mehr allzuviel aufnahmen. Schade, aber nach einem mitternaechtlichen Sento(Bad)-Besuch gings uns wieder einigermassen gut.

Ueber unseren Reisefuehrer (Lonely Planet: Kyoto; Fruehj.99 ersch.; Praedikat: empfehlenswert) erfuhren wir die Adresse eines Zen-Tempels, der Aufenthalte mit Vollverpflegung und Tempelprogramm (Sutren singen, Tai Chi, Zazen, Gruppenarbeit, Nahrungsaufnahme im trad. Klosterstil usw.) zum JH-Preis von 3000 Yen anbietet. Nix wie hin, Zazen unter Anleitung im Original stellte ich mir ganz interessant und machenswert vor, auch der Preis ueberzeugte.
Wir verabschiedeten uns fuers erste von Kyoto und wendeten uns zwei interessanten Tagen zu. Hat Freude bereitet, der Taifun war inzwischen auch schon vorbeigezogen und nahm saemtliches schlechtes Wetter mit sich.

Wir fuhren der Sonne entgegen. In Kyoto spuelten wir uns nochmal fix die Haut im Sento sauber, um am selben Tag noch Nara zu erreichen, wo wir den grossen, goldenen Daibutsu besuchten - allerdings erst am naechsten Morgen, denn auch der Daibutsu empfaengt ab 17uhr30 keine Besucher mehr. Die Nacht verbrachten wir auf einem Berg mit Draufblick auf Nara; um uns herum ca. 1200 Rehe - Nationalschatz.

Dann sollte ich endlich das Ninja-Museum in Iga-Ueno besuchen koennen, ich war sehr gespannt.1. Es war teuer (fast DM 13). 2. Im Geheimtuerhaus wurden die Funktionen von im rosa Ninja-Faschingskostuem steckenden Maedels erklaert, nett anzusehn. 3. Dann gab's noch ein paar Vitrinen mit verschiedenen Artefakten (siehe A. Adams 1970: Ninja; Falken, Niedernhausen 1991) und div. Bildschirme mit Multimediakram. Draussen gab's ne lustige Show fuer die Kinder. 4. Alles in allem, nicht schlecht gemacht, obwohl ich doch erstmal etwas enttaeuscht war, nicht mehr Informationen zu bekommen. Ist halt 'ne Sache fuer'n schnellen Wochenendtourismus.

Die naechste Uebernachtung war dann schon suedlich von Nagoya (Halbinsel Chita), wo wir einen M@t bekannten, abgedrehten, japanischen Deutsch-Professor besuchten. Am naechsten Tag erwarteten uns 400km Fahrt nach Tokyo. Wir brauchten 14 Stunden und bestehen drauf, dass man uns als echte Biker einstuft; wir fuehlten uns zumindest so wie als ob.

In Tokyo dann den Scooter meinem japanischen Freund geborgt, Sachen gepackt, und Heeme geflogen.
Danke fuer Euer Interesse,
nepomuk@wieder.daheim.und.das.essen.schmeckt.besser.hier.11.10.1999.leipzig.de

 


Bei allen Fotos in diesem Beitrag handelt es sich um Stockfotos und KEINE Originale von "Nepomuk". Zur Reisezeit von "Nepomuk" war das Datennetz (Bandbreite und Datenvolumen) noch nicht so komfortabel, wie wir es heute gewohnt sind. Damit der Beitrag nicht zu trocken wird, war ich bestrebt, passende Bilder, die inhaltlich zum Text passen, zu finden und zu integrieren. Im alten NINPO RALPH PORTAL erschienen die Berichte getrennt voneinander, weswegen sie damals auch ohne Bilder auskamen.

 

Zu den einzelnen Berichten gab es ferner einen Verweis zum dazugehörigen Diskussionsboard. Vorallem die Sichtweise zum Besuch im BUDOKAN teilte nicht jeder ... Aus diesem Grund hier noch der Hinweis: Die Meinung in den Berichten ist die Meinung des Verfassers "Nepomuk" (der richtige Name ist mir bekannt) und spiegelt nicht die Meinung von NINPO RALPH wieder.